Forschung

Universität Hamburg - Sammlung der Angewandten Botanik (ABC)


300 Objekte in Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten

Nach der Economic Botany Collection (EBC) in Kew (London) ist die Hamburger "Applied Botany Collection" (ABC) die weltweit zweitgrößte Sammlung von wirtschaftlich und technisch bedeutenden Pflanzen(teilen). Sie umfasst circa 45.000, teilweise über 200 Jahre alte Objekte in mehreren Teilsammlungen. Von winzig kleinen Samen über riesige Früchte, Fruchtstände und Fasern ist alles vertreten, ebenso bekannte und unbekannte Arzneipflanzen sowie Holzproben und seltene...

Nach der Economic Botany Collection (EBC) in Kew (London) ist die Hamburger "Applied Botany Collection" (ABC) die weltweit zweitgrößte Sammlung von wirtschaftlich und technisch bedeutenden Pflanzen(teilen). Sie umfasst circa 45.000, teilweise über 200 Jahre alte Objekte in mehreren Teilsammlungen. Von winzig kleinen Samen über riesige Früchte, Fruchtstände und Fasern ist alles vertreten, ebenso bekannte und unbekannte Arzneipflanzen sowie Holzproben und seltene phytopathologische Präparate. Bei der Entstehung der Sammlung spielte die deutsche Kolonialzeit eine wesentliche Rolle. Insbesondere die Hamburger Kaufmannschaft hatte schon weit vor der offiziellen Gründung der deutschen Kolonien viele Kontakte und Niederlassungen in diesen Gebieten.

Circa 10.000 Objekte der Sammlung stammen aus kolonialen Kontexten. Aufgrund der hohen Diversität der Tätigkeitsfelder und der ausgedehnten Netzwerke der Donator*innen (Wissenschaftler*innen, Firmen, Institutionen, Fachkräfte) ist fast die gesamte koloniale Welt als Provenienz vertreten. Was Afrika betrifft, liegt ein Schwerpunkt auf den ehemals deutschen Kolonien Togo, Kamerun, Deutsch-Südwestafrika und Deutsch-Ostafrika.

Wie im Falle anderer Kolonialmächte, bestand auch das Ziel der deutschen Kolonialpolitik und Wirtschaft darin, in den Kolonien den Anbau oder anderweitige Nutzungen von Pflanzen, die als Nahrungs- oder Futtermittel dienten, von medizinischem Interesse waren oder Rohstoffquellen darstellten, zu optimieren. Man stützte sich zum einen auf einheimische, in den Kolonien bereits ansässige Pflanzen, zum anderen führte man gezielt Pflanzen aus anderen Weltgegenden ein.

Einheimisches botanisches Wissen sowie indigene Nutzungs- und Bewirtschaftungsformen wurden von den Europäer*innen in der Regel als unwissenschaftlich eingestuft oder gar als schädlich abgetan bzw. nur insoweit rezipiert, als es dem eigenen Interesse unmittelbar zugutekam. Die Auswirkungen dieses ökologischen Imperialismus und frühen Biopiraterie sind in der Gesellschaft, Kultur und Natur der Herkunftsstaaten noch heute allgegenwärtig. Ferner ist die moderne Bioprospektion in den Verdacht geraten, trotz aller internationaler Vereinbarungen die Vergangenheit in neuem, subtilerem Gewand zu wiederholen.

Wir sehen ein großes Potenzial für Kooperation und Austausch mit Vertreter*innen der Herkunftsstaaten und Herkunftsgesellschaften, um eurozentrische Präsentationskonzepte und Perspektiven zu überwinden.