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Flurkarte des Chiquatzin | Fotograf*in: Claudia Obrocki
Es handelt sich um eine der typischen hybriden Katasterpläne der frühen Kolonialzeit. Die vorliegende Flurkarte kombiniert Elemente der zeitgenössischen europäischen Kartographie mit den Piktogrammen, die wir aus den vorspanischen Codices und frühkolonialzeitlichen Lienzos und Mapas kennen (s. XI: 358-399 und Lienzo Seler II). Dazu zählen die Fußstapfen, Gebäude, teils auf Stufenpyramiden sowie die Frontalansicht der menschlichen Figuren. Europäisch ist dagegen der Zeichenstil der menschlichen Figuren und ihrer indianischen Kleidung. Zu den hybriden Elementen gehören die Beischriften in lateinischen (gotischen) Buchstaben die sowohl christliche als auch Nahuatl-sprachige Namen verzeichnen. Während die kartographischen Elemente in den Codices und Lienzos Teil der aufgezeichneten Ursprungsmythen, der Geschichte des Altepetl (s. Locke: 498) und seiner Herrschergenealogien waren, dienten die Kataster-Aufsichten der Dokumentation der individuellen Landzuteilung – vor der Eroberung - bzw. des individuellen Landbesitzes - nach der Eroberung - (Kagan 2000: 50, 54). Zwar ist kein einziges vorspanisches Exemplar erhalten geblieben, doch darf man annehmen, dass Kataster-ähnliche Aufzeichnungen in Zentralmexiko auch bereits vor der Ankunft der Spanier bekannt gewesen sind. Sicherlich stellen die aztekischen Pläne keine Landkarten im europäischen Sinn dar; jedoch werden die Aufzeichnung von Wegführungen, Grenzen, Tributprovinzen und Ländereien sowie der dafür zuständigen Spezialisten von mehreren Zeugen der ersten Jahre nach der Eroberung erwähnt (Alva Ixtlilxochitl 1975-77: 527; Torquemda, Fray Juan de, Monarquia Indiana 1615, ed. Madrid 1943, 2: 538, 546; Alonso de Zorita, zitiert nach Kutscher 1963: 129 s.o. Literatur). Im Gegensatz zu den übrigen erhalten gebliebenen Flurkarten (vergl. Kat.-Nr. 353) enthält die Flurkarte des Chiquatzin zusätzliche Eintragungen, die auf die Verwendung bei einem Rechtsstreit vor der spanischen Verwaltung weisen. Im oberen Drittel der Karte ist das Gemeindeoberhaupt abgebildet. Die Eule neben ihm, auf Nahuatl Chiquatli, gibt piktographisch seinen Namen Chiquatzin wieder. Die übrigen Personen, Besitzer der abgebildeten Gebäude und Felder, sind mit den oben genannten Beischriften namentlich gekennzeichnet. Ungewöhnlich ist die Darstellung eines Mordes an einer Frau, in die drei Männer verwickelt sind (s. links oberhalb des Chiquatzin). (V. König, 2003)
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