Kleine, anthropomorphe Steinskulptur. Die sitzende, männliche Figur zieht ihre Beine an den Körper. Sie scheint sich leicht zurück zu lehnen. Ihre Ober- und Unterschenkel werden durch eine gravierte Linie voneinander getrennt. Die nackte Gestalt hat ein zylindrisches Objekt im Mund, das von ihrer linken Hand gehalten wird. Obwohl die meisten Figuren der Variante den leicht gekrümmten Gegenstand mit zwei Händen berühren, legt die beschriebene Person den rechten Arm über ihre Knie. Die Skulptur scheint eine runde, unverzierte Kappe zu tragen. Die Basis des unbeschädigten Objekts wurde abgeflacht. Die inventarisierte Figur besitzt trotz der standartisierten Pose individuelle Züge. Haberland (1973a: 53, Abb.11) bildet zwei ähnliche Skulpturen ab, die zur Sammlung Wiß gehören. Soziale Bedeutung: Hartman dokumentierte an den Fundorten Los Limones und Orosí (beide Zentrales Hochland) sitzende, anthropomorphe Figuren, die sich als Beigaben in Steinkistengräbern befanden (1901: 135, 159, 182, Pl. 43(9), Pl. 53(6), Pl. 57(2)). Symbolische Bedeutung: die sitzende Position der Skulptur scheint auf eine Person mit großem Sozialprestige hinzuweisen. Die Gestalt wird in der Regel als Schamane (sukia) interpretiert, der sich in einem tranceähnlichen Zustand befindet (Mason 1945: 264; Snarskis 1981: 216, Fig. 219). Das an den Mund gehaltene Objekt kann eine Speise, ein Rohr, eine Flöte oder eine Tabakrolle darstellen, die für eine Heilzeremonie verwendet wurde (Ferrero 1975: 316f.; 1977: 201; Mason 1945: 264). Die Schamanen der bribrí und cabécar behandelten im frühen 20. Jahrhundert Krankheiten durch das Beblasen von Orakelsteinen (García und Jaén 1996). Der Vorgang sollte die negativen Wirkungen der angehauchten Objekte ausgleichen. Er wurde als heilig, heilend und reinigend empfunden (Aguilar 1996; Bozzoli de Wille 1979). Kulturelle Bedeutung: die anthropomorphen Steinfiguren des Zentralen Hochlands und der Atlantischen Abdachung von Costa Rica unterscheiden sich durch ihre realistische Gestaltung und plastische Formgebung von den meisten anthropomorphen Skulpturen, die aus den Regionen Gran Nicoya und Gran Chiriquí stammen. Die Objekte besitzen keinen Standzapfen und können bis zu 1,60m hoch sein (vgl. Snarskis 1981: 211, Fig. 193). Während die Figuren der Periode VI (1550-1000d.C.) oft individualisierte Charaktere verkörpern, stellen die Skulpturen der Periode V (1000-500d.C.) wenig differenzierte Typen dar. Mason (1945: 256-69) unterscheidet für die Periode VI große, stehende Skulpturen von kleinen, sitzenden Figuren, die ihre Beine anziehen. Die Gestalten der zweiten Gruppe können beide Arme auf den Knien verschränken oder ein zylindrisches Objekt an den Mund halten. Stone (1977: 179, Fig. 240) stellt zwei ungewöhnliche Figuren vor, die Rücken an Rücken sitzen. Obwohl der Topos mehrheitlich der Periode VI (1550-1000d.C.) zugeschrieben wird, scheinen beide Themen in rudimentärer Form bereits in der Periode V (1000-500d.C.) aufzutreten (vgl. Mason 1945: Pl. 44(E)). Die Haltung der Steinfiguren korrespondiert mit den anthropomorphen Tonfiguren der Carbonera-Gruppe (500-1d.C.), die von der Halbinsel Osa (Subregion Diquís) stammen (vgl. Baudez 1972: 141, Fig. 114; Snarskis 1981: 218: Fig. 230). (Künne 2005)